Das Kammerorchester Mössingen musiziert nach langer Auftrittspause wieder vor Publikum am Sonntag, den 26. März 2023, um 19:00 Uhr in der Aula des Quenstedt-Gymnasiums Mössingen unter der engagierten Leitung von Dietrich Schöller-Manno.
Auf dem Programm stehen bekannte Werke des „klassischen Dreigestirns“ Beethoven - Mozart - Haydn. Nach der wuchtigen Egmont-Ouvertüre kann das Publikum sich ergreifen lassen von Mozarts Klavierkonzert A-Dur, interpretiert von der Mössinger Pianistin Johanna Marie Hennig. Im zweiten Teil des Programms kommen in Haydns Symphonie Nr. 99 die Bläserinnen und Bläser des Orchesters zum vollen Einsatz. Wir hoffen auf viele begeisterte Zuhörerinnen und Zuhörer!
Ein Kartenkauf ist wie gewohnt nicht vorgesehen. Über Spenden freuen wir uns.
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Programm
Egmont Ouvertüre f-Moll op.84 (1810)
Sostenuto, ma non troppo – Allegro
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Klavierkonzert Nr. 23 A-Dur KV 488 (1786)
Allegro – Adagio – Allegro assai
Joseph Haydn (1732-1809)
Symphonie Nr. 99 Es-Dur (1793)
Vivace assai – Adagio – Menuet. Allegretto –
Finale. Vivace
Wir danken für die Förderung durch das Ministerium für Wissenschaft,
Forschung, Kunst Baden-Württemberg.
Programmheft
„Ängstlich im Schlafe liegt/das betäubte Volk und/träumt von Rettung, träumt ihres ohnmächtigen/Wunsches Erfüllung.“ Goethe, Egmont, 5. Aufzug – Beethoven Egmont Ouvertüre
Der beim Volk beliebte Adelige Graf Egmont von Gavre bemüht sich während des niederländischen Aufstands gegen die religiöse und politische Unterdrückung durch die Spanier (1566-1568) um Einigung. Naiv gerät er in die Fänge des spanischen Herzogs von Alba, welcher in Brüssel für Ordnung sorgen soll. Clärchen, die Geliebte Egmonts, unternimmt einen verzweifelten Versuch ihren eingekerkerten Geliebten zu befreien. Als sie sieht, dass ihr Vorhaben scheitern wird, verübt sie Selbstmord. Egmont wird wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, geht aber am Schluss des Stückes mit der Zuversicht in den Tod, dass seine Hinrichtung einen Befreiungskampf auslösen wird.
Immer wieder sind es solche persönlichen Empathien, die Menschen zu Widerstand und Revolution bewegen können. Beethoven verfasste diese mitreißende und wuchtige Schauspielmusik zu Goethes Drama Egmont in der Zeit der napoleonischen Herrschaft über große Teile Europas. Und viel später fand die Ouvertüre, die den dramatischen Tod des Freiheitskämpfers wie auch die langfristige Durchsetzung des Freiheitswunsches durch sein Volk mit der Siegessymphonie am Schluss musikalisch andeutet, erneut größte Popularität, als sie in Budapest 1956 nach der Niederschlagung des Ungarischen Aufstands durch die UdSSR aus einem Rundfunkwagen ertönte. Die Ouvertüre wurde so – immer wieder gespielt – zur „Hymne des ungarischen Aufstands“. Wer denkt da nicht an aktuelle Ereignisse?
…infernalische und himmlische Schönheit, hier die Sonne, da die Nacht, stets betörend, rätselhaft fast immer… – Mozart Klavierkonzert A-Dur
Das A-Dur-Konzert zählt zu den ausgereiftesten, ‚klassischsten‘ und sicher bekanntesten Werken Mozarts und erfüllt auf geradezu ideale Weise den von Mozart selbst formulierten Anspruch: „die Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht“, so schreibt er am 28. Dezember 1782 an seinen Vater, „sind sehr Brillant – angenehm in die ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da – können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – daß die Nichtkenner damit zufrieden seyn müssen ohne zu wissen warum.“
„Insbesondere das Adagio ist von solcher Einfachheit, von solcher ‚Normalität‘ in der thematischen Relation von Tutti und Solo, von solcher Klarheit der thematischen Erfindung“, notiert dazu der Mozart-Biograph Alfred Einstein, „dass dieses Adagio einer gesungenen Klage gleicht, einer wirklichen Opernarie, einem schmerzlich-süßen menschlichen Wiegengesang“, das in seiner Traurigkeit dennoch so viel Hörlust auslöst, „dass man nicht möchte, dass es jemals ende“ (frei nach D. Schöller-Manno).
Unsere Solistin Johanna Marie Hennig…
wohnte mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn von Ende Januar 2021 bis Mitte Juli 2022 in Mössingen und freut sich hier „als Ex-Mössingerin“ zusammen mit dem KOM zu musizieren.
Sie erhielt ihren ersten Klavierunterricht bereits mit sechs Jahren und nahm bald regelmäßig am Wettbewerb „Jugend musiziert“ teil. Auf die Würdigung als Bundespreisträgerin in den Kategorien Klavier vierhändig und Kammermusik folgte eine erste Konzertreise nach Kirgistan und sie gewann 1999 den 1.Bundes- und Sonderpreis in der Kategorie Liedbegleitung.
Von 2000 bis 2008 absolvierte Johanna Marie Hennig ihr Klavierstudium und einen künstlerischen Aufbaustudiengang Liedgestaltung in Hannover. Sie gewann diverse Wettbewerbe und erhielt etliche Auszeichnungen unter anderem für die beste pianistische Interpretation eines zeitgenössischen Pflichtstücks, das sie im Rahmen eines Preisträgerkonzertes uraufführte. Sie ergänzte laufend ihre Ausbildung und hatte von 2007 bis 2017 einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik und Theater Hannover inne. In den Jahren 2009 bis 2011 war sie Stipendiatin von LiveMusicNow Hannover. Darauf folgten weltweite Tourneen und Auftritte. Von 2017 bis 2021 hatte sie eine Stelle als Korrepetitorin an der Berufsfachschule für Musik in Sulzbach-Rosenberg (Bayern) inne. Seit Sommer 2022 wohnt Johanna Marie Hennig mit ihrer Familie im Landkreis Uelzen in der Nähe ihrer Geburtsstadt Hannover.
… transparente Traurigkeit … weckt und bewegt alle Regungen der Seele – Haydn Symphonie Es-Dur
Dieses Werk ist die erste der sechs letzten „Londoner Symphonien“, die Haydn für seine zweite Englandreise komponiert, und die erste, in der er Klarinetten verwendet. Er versteht es auf Anhieb, die klanglichen Möglichkeiten dieses Instruments voll auszureizen und sensibel zur Geltung zu bringen. Wie Mozarts Klavierkonzert wird diese Lieblingssymphonie Haydns als sein „klassischstes Werk“ bezeichnet, mit dem er „Neuland“ betritt. Denn er etabliert mit ihr den vollständigen Holzbläsersatz der so genannten klassischen Symphonik und integriert diesen sowohl in die klanggewaltigen Tutti, überlässt ihm aber auch transparente kammermusikalische Formationen. Im Londoner Morning Chronicle war dazu zu lesen: „Die Wirkung der Blasinstrumente im zweiten Satz war bezaubernd. (…) Oboe und Flöte spielten in schöner Harmonie, aber vor allem das Fagott war vollkommener und reizvoller; als wir je zuvor ein Blasinstrument haben spielen hören.“
Alle Symphonien Haydns dieser zweiten Londoner Serie (außer Nr. 102) sind mit Klarinetten besetzt. Nicht nur der neue Klangkörper hebt diese Symphonien von den vorherigen ab, sondern auch eine veränderte musikalische Haltung Haydns, auf die Heinrich Eduard Jacob aufmerksam gemacht hat: Er spricht von einem „fröstelnden Ernst“, der nun Platz griffe in Haydns symphonischer Welt, vom „Irisieren der Harmonik“ und von einer „transparenten Traurigkeit“. In diesem Sinne kann der zweite Satz als das „innere Herzstück“ des Werkes bezeichnet werden. Er klingt wie ein wehmütiges Abschiednehmen, das möglicherweise ein Reflex war auf den Verlust einer hoch geschätzten Freundin Haydns in dieser Zeit. Die weitgespannten Emotionen des Schlusssatzes und dessen dramatische Durchführung explodieren schließlich gewissermaßen in Trompeten-Fanfaren, bevor besänftigend wieder das zweite Thema auftritt. Haydn endet mit einem plötzlichen, lauten Tutti-Schlag, so als wolle er sagen, nun sei es genug. Dazu sei nochmals der Morning Chronicle zitiert: „Der unvergleichliche Haydn hat eine Ouvertüre geschaffen, von der man nicht in gewöhnlichen Ausdrücken sprechen kann. Es ist eines der größten Kunstwerke, das wir je erlebt haben. Es enthält eine Fülle an Ideen, ebenso neu in der Musik, wie großartig und eindrucksvoll; es weckt und bewegt alle Regungen der Seele.“
„Das klassische Dreigestirn“
Die Bedeutung der Komponisten Haydn, Mozart und Beethoven liegt in erster Linie in der nachhaltigen Ausprägung neuer Formen von Instrumentalmusik, die zur Grundlage des 19. und 20. Jahrhunderts wurden: der Symphonie, des Instrumentalkonzerts, des Streichquartetts, der Klaviersonate und anderer Formen der Kammermusik. Gemeinsam haben diese drei auch persönlich miteinander verbundenen Musiker – Haydn und Mozart waren Freunde, Beethoven ihr Schüler – dazu beigetragen, im Bewusstsein der Zeitgenossen spätestens um 1800 die Instrumentalmusik der Vokalmusik mindestes gleichzustellen.
„Klassiker“ – im Sinne der bis heute ständigen Präsenz in Konzertsälen und Opernhäusern – wurden Haydn, Mozart und Beethoven aber auch deswegen, weil ihre Werke eine Zeit mit prägen, in der sich die Grundzüge unseres heutigen Musiklebens entwickeln: öffentliche Konzerte gegen bezahlten Eintritt für alle Interessierten aus der Bürgerschaft, die Verbreitung von Musikalien für häusliches Musizieren durch den Notendruck, die kritische Besprechung (und Bewerbung) von Konzerten in Zeitungen, Zeitschriften und speziellen Musikzeitschriften. All diese schon länger existierenden Enwicklungen verdichten sich zwischen 1770 und 1830 zu einer „regen musikalischen Öffentlichkeit“, wie es sie zuvor nicht gegeben hat. Getragen werden diese Bemühungen wie vorab schon von der Aristokratie, aber bald auch von einer ökonomisch erfolgreichen, gebildeten bürgerlichen Bewegung.
Darin liegt es wohl auch begründet, dass man in den Werken der Klassiker immer wieder die musikalische Darstellung einer auf Toleranz, Verantwortung und dem Ausgleich von Gefühl und Vernunft basierenden Humanität erkennen kann, wie sie sich vor allem in Haydns Oratorien, Mozarts Zauberflöte und Beethovens Fidelio, seiner Neunten Symphonie und eben auch im Egmont ausdrückt.